Lebensberichte und Familienchroniken

Gottfried F.

Von Zoppot nach Australien - in vielen Schritten

21.10.2008

 

 

Nana Glen, Australien

Pulvermühle und Heinz

Da war ein Fenster. Es war in vier mal sechs kleine Scheiben gleicher Größe unterteilt. Unter ihm stand Heinz' Bett. Das war auf der "Pulvermühle", ein Gut, nicht fern von Oliva gelegen.

Pulvermühle bei Oliva

Die Pulvermühle war irgendwie ein Bauernhof, auf dem man uns erlaubt hatte, uns einzunisten.

Der Krieg war aus. Es wurde nicht mehr so viel getötet. Das Leben kroch aus den Löchern und lüftete seine Hosen.

Die Russen hatten alles Sagen, aber, glaube ich, sie wollten die Hilfe der wenigen verbleibenden Bürger, Polen und Deutschen. Für die Pulvermühle war ein kleiner, zäher, einäugiger Russe verantwortlich. Carpo war sein Name. Er war kein Weichling. Einmal sah ich ihn einen russischen Offizier, der ein betrunkenes Ferkel war und sich auch so aufführte, erbarmungslos zusammenschlagen. Anschließend ließ er ihn einfach liegen. Kein Hahn krähte darüber.

Da fällt mir ein, in einem der Häuser, in denen wir in früheren Tagen hausten, brachten die Russen einen jungen Soldaten mit einem Bauchschuss. Sie legten ihn in den Flur. Und das war es. Er starb qualvoll nach ein paar Tagen. Ich glaube, er oft murmelte "Mutga" Mutter.

Dieser Carpo stellte Heinz als Kutscher an. Er mochte Heinz und liebte Pferde. Er war eigentlich ein richtiger Bauer. Heinz war auch sehr stolz auf Pferde

"Wiehernde Pferde
stampfen die Erde
warten auf Reiter
warten auf Sieg!"

Deutscher Kampfgesang auch noch nach dem Krieg.

"Turm um uns sich türmt,
Turm mit eisern Tor.
Besser wäre Glas,
helles klare Glass.
Wiehernde Pferde
stampfen die Erde....."

Und so weiter. Hatte eine gute, einfache, entfachende Melodie.

Heinz' Pferde waren schlanke, große Trakehner. Wie Zwillinge, falbenfarben, temperamentvoll. Sie zogen nicht mit Gewicht, sondern mit Nerv. Heinz war so stolz, dass er sie haben durfte. Sie fraßen ihn auf. Nichts war ihm wichtiger als seine Pferde.

Carpo, der Bauer-Soldat, wollte die völlig vernachlässigte Ernte einfahren, oder das, was davon noch möglich war. Es war nicht viel mehr als Heu. Und das tat er dann auch. Heinz hatte einen großen vollen Leiterwagen hinter seinem Gespann. Der Wagen wurde turmhoch voller Heu geladen und uns Brüder oben drauf. Ich war auch drauf, wie ich noch immer weiß.

Ach, habt ihr je Pferdeärsche sich bewegen sehen, den Wagen ziehend? Der Geruch, das Muskelspiel, der Respekt und die gewisse Furcht, die dir im Magen wühlt? Ich erinnere mich daran, denn Heinz fuhr durch den Wald zurück zum Hof durch einen Waldweg, der immer steiler wurde. Die Pferde zogen nicht mehr am Geschirr, nein, die gesamte Last hing an ihren Hälsen, dem Riemen am Nacken. Ich weiß nicht, ob der Wagen eine Bremse hatte. Doch selbst wenn, Heinz konnte sie nicht erreichen, denn wir saßen doch hoch oben. Ich denke mir, auch Heinz war innerlich blass. Die Pferde konnten den Wagen nicht mehr halten. Heinz dachte wohl "Scheiße, ich lasse sie rennen". Und das taten sie dann auch. Ausgestreckt. Der Wagen taumelnd wie im Kino. Das trockene Heu wurde durchnässt wo immer einer von uns saß, oder besser, ins Heu biss. Auch die Pferde wussten, dass sie das nicht erfahren hätten sollen. Na ja, darum weiß ich es noch heute. Ich habe Heinz sehr, sehr geliebt und ich werde noch einige Male auf ihn zurückkommen, wenn ich es noch erlebe mein Blutdruck ist in letzter Zeit etwas zu hoch.

Eines noch will ich heute von Pulvermühle berichten. Zurück zu dem Fenster und Heinz' Bett darunter. Das Fenster hatte ein Fensterbrett. Am Tage von der Sonne bestrichen. Nun, Heinz brachte einen Käse heim. Quarkleich. Er war der arbeitende Mann der Familie. Es war sein Käse. Er sollte ihn essen, und nur er. Das tat er denn auch täglich in sehr kleinen Happen, und oh Wunder, am nächsten Tag lag der Käse wieder vollständig auf dem Fensterbrett!!?? Es muss wohl eine Art Jogurt gewesen sein.
 

 

Hans-Jürgen Bömelburg: Zwischen polnischer Ständegesellschaft und preussischem Obrigkeitsstaat, 1995, Seite 386:

Daneben arbeiteten nordwestlich von Danzig in der in der Nähe des Klosters Oliva Eisen- und Kupferhämmer, die mit vor Ort gefundenen Rasenerzen und aus Schweden importiertem Eisenerz betrieben wurden (vgl. Karte). Um 1800 wurde der Stand dieser Industrie so beschrieben: "Das Amt Oliva zeichnet sich durch die vielen darin liegenden Eisenfabriken aus, nämlich: durch die, 7 Privatpersonen zugehörigen und um den Flecken Oliva liegenden Hämmer, einen Hammer im Dorf Sukczyn, einen Hammer und 17 Schmiedewerkstätte auf dem Silberhammer, einen Hammer und 4 Schmiedewerkstätte zu Brentau.'" Weiterhin hieß es in einer Aufzählung: "Rahmel, ein Dorf, mit einem Stahlhammer, Kahlbude, ein Dorf, mit 8 Eisenhämmern, Klein-Katz, ein adliges Gut, mit 2 Stahlhämmern, Prangschin, mit einer Pulvermühle. Diese Industrie hatte bis 1772 vor allem die Danziger Nachfrage gedeckt, später arbeitete sie für das preußische Militär.


Wikipedia: Pulvermühle

In einer Pulvermühle wurden nach Erfindung bzw. Verbreitung des Schwarzpulvers im ausgehenden Mittelalter bis zur Neuzeit (etwa 1918) die zur Pulverherstellung notwendigen Zutaten Holzkohle, Schwefel und Salpeter gemahlen oder zerkleinert und zur explosiven Mischung zusammengestellt. Da die zur Herstellung von Holzkohle häufig benutzten Faulbäume besonders in Tallagen anzufinden waren und die meisten Pulvermühlen mit Hilfe von Wasserkraft angetrieben wurden, lagen die meisten der Mühlen in Tälern an Fließgewässern.

Technik

Durch das Wasserrad wurden in den Pulvermühlen Stampfen aus Holz angetrieben, deren Stoßfläche eine Messingummantelung hatte. Die jeweils zu einem Paar angeordneten Stampfen fielen abwechselnd in die Aussparungen des 'Grubenstocks' und zerkleinerten dabei das Mahlgut.

Zuerst wurde der Schwefel und die Holzkohle gereinigt, zerstoßen und gemischt. Der Kalisalpeter wurde in heißer Salpetersäure aufgelöst und dazugegeben. Diese Mischung, die je nach Verwendungszweck noch mit Wasser, Essig, Branntwein, aber auch mit dem Urin eines Mannes, der zuvor Wein getrunken hatte, angefeuchtet wurde, kam dann in den Grubenstock und wurde dort mit den Stampfen fein zerstoßen und durchgemischt. Im Abstand von jeweils einer halben Stunde mussten die Stampfen angehalten und die feuchte Masse gemengt werden. Wiederum alle drei Stunden wurde der Brei aus den einzelnen Stampflöchern des Grubenbaums genommen, zusammengemischt, neuerlich angefeuchtet und wieder in die Löcher des Grubenstocks verteilt. Dieser Vorgang wurde in einem Zeitraum von 30 bis 36 Stunden wiederholt. Danach wurde das Pulver in unterschiedliche Körnungen unterteilt, indem die noch feuchte Masse durch die Löcher eines Siebes getrieben wurde. Die Körnung bewirkte eine engere Berührung der Pulverteilchen und bewirkte ein gleichmäßiges Abbrennen. Durch die Wahl der Korngröße konnte das Pulver darüber hinaus auf das jeweilige Geschütz abgestimmt werden.

Gefahren

Oft explodierten ("zersprangen") diese Mühlen. Die Ursache konnte ein einzelner Funken sein, der beim Einschlagen eines Nagels entstand, oder elektrostatische Aufladungen, um deren Gefahrenpotential lange nichts bekannt war. Die Explosionen ereigneten sich daher oft genug, ohne dass eine Ursache ausgemacht werden konnte. Im Zeitraum von 170 Jahren explodierte z.B. die Mühle in Wöhrd bei Nürnberg achtmal. Um den Schaden einer solchen Pulverexplosion einzugrenzen, wurde oft ein zwei bis drei Meter hoher Erdwall um die einzelnen Mühlen, aber auch Lager- und Verladestätten gezogen, der jeweils zu einer Seite offen war (Hufeisenform), so dass der Explosionsdruck nur das einzelne Gebäude zerstörte, jedoch nicht die benachbarten Anlagen. Reste solcher Wallanlagen, aber auch Mauerreste einer größeren Mühlenanlage finden sich z.B. im Dhünntal nahe Altenberg im Bergischen Land.