Auf der Marienburg
Die Marienburg ist mir vertraut seit der Kindheit. Die
Großmutter erzählte von ihr, und im Treppenhaus hing ein Vorkriegsphoto.
Jeden Tag kam ich etliche Male an der Burg vorbei. Und dann die
Jugendbücher, die davon berichteten, wie die edlen Ordensritter den
heidnischen Pruzzen und Slawen Ordnung, Sitte und Christentum mit Bibel
und Schwert vermittelten ... viel Käse.
Seit 2005 waren wir mehrmals hier. Diesmal ist es
jedoch etwas Besonderes, wir kommen per Boot.
Ich positioniere mich an den Bug des Schiffes, die Kamera
bereit, und stelle mir vor, als tapferer Ordensritter vom Raubzug in den Osten per Schiff zurückkehren, zuerst in der Ferne die
Türme der Marienburg erblicke - ein Freudentaumel - und dann erstreckt
sich vor mir das gesamte erhabene Macht, Überlegenheit und Stolz
ausstrahlende Bollwerk aus Ziegeln ...
Der Motor tuckert leise vor sich hin und schiebt das
Boot gemächlich durch das Wasser. Da, die Zinnen der Marienburg. Die
Bootsmannschaft gerät in Bewegung, die Kameras klicken, schnattern.
Noch eine Landzunge und vor uns ... Schiiiiete,
da hat doch jemand quer über den Fluss eine Eisenbahnbrücke gestellt ...
die habe ich gänzlich vergessen. Fruuuust - ist nichts mit dem Blick
der Ordensritter auf die Marienburg ...
Eine Eisenbahnbrücke direkt vor solch eine
majestätische Burg zu bauen ... ich beginne zu verstehen, weshalb die
UNESCO dem Elbtal der Stadt Dresden den Titel eines Weltkulturerbes
aberkannt hat ... hätte man doch bloß die UNESCO ein paar Jahrzehnte
früher gegründet! Vielleicht wäre man von der hiesigen Schnapsidee
Eisenbahnbrücke abgerückt ...
Kommt man von der anderen Seite flussabwärts, ich
weiß, da ist's auch nicht besser ... da steht die Straßenbrücke. Und
zwischen dieser und der Eisenbahnbrücke schwingt noch die
Fußgängerbrücke ...
Fazit: Wanderer, kommst du zur Marienburg, nähere dich
ihr nicht auf dem Wasser! Nähere dich ihr - außerhalb der Touristenzeit
- zu Fuß auf der Straße vom Westen, biege vor der Brücke links ab ...
und dann hast du nach ein paar Metern die Marienburg in ihrer ganzen
Pracht und Erhabenheit vor dir stehen. So haben wir's zum ersten Mal
erlebt 2005, ein unvergesslicher Anblick und Eindruck.
Łukasz hat uns empfohlen, an dem Restaurantschiff am
westlichen
Ufer festzumachen. Es gäbe eine Vereinbarung mit dem Eigentümer. Wir legen an. Der Empfang ist nicht gerade überschwänglich,
genauer, es gibt keinen. Das herumschwirrende Personal
ignoriert uns ... offensichtlich ist niemand "zuständig". Auch
gut. Siggi setzt seine Mütze auf, wir ziehen zur Burg.
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