Nana Glen, Australien
Kreyenbrück
Da sind wir nun
in der Kreyenbrücker Hindenburg-Kaserne abgeliefert und angekommen.
Wie und
wann das passiert ist, kann ich beim besten Willen nicht sagen, doch
glaube und hoffe ich, dass auch Hans sich daran klemmt und das Bild
mit seinem großen Pinsel und gewohnter Wortgewandtheit in den richtigen
Rahmen setzt.
Ich gehe
also meinen Weg. Der ist aber sehr schmal. Ich taste, ich taste ....! Da
waren also 12 Kasernengebäude. Eines davon war ausgebombt, glaube ich.
Auch bin ich mir nicht sicher, welche Nummer unser Block hatte. Nummer
4. denke ich. Doch was macht das schon aus. Die waren ja fast alle
gleich. Fast, denn da waren doch gewisse Abweichungen, auf die
einzugehen sein wird.
Ich
glaube, jedes Gebäude war 35 bis 40 Meter lang, hatte drei Etagen und
einen ausgebauten Dachboden, wo wir einen eingezäunten Teil als
Lagerraum zugeteilt bekamen.
– Habe ich da nicht in irgendeinem Bericht gelesen, dass Irma
Ella dieses Dachgefilde auch als Folterkammer benutzte, um Eckardt die
Hosen stramm zu ziehen?! Er wird schon darauf zurückkommen, wenn er und
es so war.
Wir
bekamen drei Zimmer im ersten Stock. Der Zugang war über eine breite
Zickzacktreppe an der linken Seite des langen, dunklen Flures. Nur am
rechten Ende desselben befand sich ein nicht sehr großes Fenster, das
einem die Richtung zur Toilette und dem einzigen Wasserhahn auf dem
Korridor wies. Rechts vom Fenster ging eine Tür zu einem
schmalen Vorraum, an dessen Ende zwei Klos waren. Jedes mit einer
eigenen Tür und getrennt durch eine dünne Holzwand. In diese hatte man
in gewisser Höhe kleine Löcher gebohrt zwecks besserer Beobachtung des
Geschehens auf der jeweiligen anderen Seite. Immer wieder wurden sie mit
Zeitungspapier zugestopft, doch wie gesagt
– immer wieder.
Rechts
neben der Klotür führte eine weitere in einen länglichen Waschraum, in
dem man sich nicht waschen durfte. Es war der einzige Raum mit
fließendem Wasser für das ganze Geschoss.
Ich weiß
nicht mehr wie viele Leutchen wir da so waren. Auch habe ich keine
Ahnung mehr, wie viele Zimmer jeder Flur hatte. Jedenfalls musste jeder
sein Wasser hinter der linken Tür "abschlagen" und hinter der Rechten es
sich abzapfen. In Kannen, Eimern oder was immer man hatte, und das war
sehr wenig. Im halbdunklen Gang musste man das Wasser zu seiner Höhle
schleppen. Das war gar nicht so leicht, erfolgte dafür aber sehr oft.
Natürlich gab es in keinem der Zimmer einen Ausguss. Das bedeutete, dass
man das nicht getrunkene, jedoch verbrauchte Wasser auch wieder
zurückschleppen musste, um es weggießen zu können.
Alle
Jungen, außer Baby Eckardt , waren an diesem Geschäft beteiligt.
– Nie sehr gerne.
Unsere
Räume lagen ungefähr in der Mitte des Flures. Wir hatten zwei längliche
Soldatenstuben, vielleicht drei Meter breit und fünf Meter lang, mit
einer Tür zum Gang, und einem nicht zu kleinen Fenster auf der anderen
Seite. Ich glaube, als wir einzogen war da keine Verbindungstür zwischen
den Zimmern. Man musste immer hinaus über den großen Flur, um ins
nächste Zimmer zu schlüpfen. Selbst nackt und bloß.
Der dritte
Raum war ein recht großer, den wir nur bekamen, weil wir doch so
verdammt kinderreich waren –
etwas, das uns in der Zukunft noch oft mehr geholfen denn geschadet hat.
Also ja,
dieser Raum war vielleicht 5 mal 5 Meter groß. Er hatte einen
gekachelten Boden und auch die Wände waren bis zu einer bestimmten Höhe
gekachelt. Da waren mal Waschbecken gewesen und wohl auch Duschen, doch
davon war nichts mehr da. Auch kein Wasserabfluss. Alles war
ausgeschlachtet. Der Raum hatte wenigsten zwei normale Kasernenfenster,
die den Raum gut ausleuchteten.
Vom Staat
waren uns Militärstockwerksbetten zugeteilt, mit Strohsäcken glaube ich,
bin mir aber nicht mehr sicher.
Wir vier
älteren Jungen hatten dieses "Badezimmer" für uns, zusammen mit dem
ganzen Krempel, der sich so im Laufe der Zeit angesammelte und der auch
ständig wuchs.
Von den
kleineren Zimmern wurde eines von Oma Müller, Irma Ella, Christiane, Gudrun und
Eckardt behaust. Nicht gerade ein Paradies, denke ich.
Das andere
Kleine war Küche und Wohnzimmer. Außerdem stand dort auch unser
Wasserdepot. Sehr sparsam war die Ausstattung mit Möbeln, fast kaum
vorhanden. Am Anfang jedenfalls.
Es gab
einen Hocker auf dem eine Holzschüssel stand. Eine Schüssel aus
gepresstem Furnier mit Kunstharzen. Unzerbrechlich und unentbehrlich.
Denn sie war für lange Zeit die Waschschüssel für uns alle, mit der
Wasserkanne daneben fürs gute, und eine weitere fürs gebrauchte Wasser.
Ich weiß
nicht mehr, worauf wir saßen und wo und was wir aßen, doch mit der Zeit
läpperte es sich. Wir ergatterten, von wo auch immer, einige gebrauchte
Möbel, erfanden wohl auch geniale Sachen, um das Leben erträglich zu
machen. Im Grossen und Ganzen gelang es uns auch. Omchen war die Seele
des Hauses. Sie war eine furchtbar liebe und geliebte Großmutter. Sie,
wie auch Irma Ella, kamen aus dem ganzen Nachkriegsdrama mit fliegenden
Fahnen heraus und ans Licht.
Hier wurde
ich gerade von Eckardt unterbrochen, der mich aus Amerika anrief. Einfach
mal so. Er bestätigte mir, dass er es war, der mit dem Teppichklopfer
und an Irma Ellas Hand –
ER trug das Folterinstrument
– auf den Dachboden steigen durfte. Der Bestrafung wegen, wo er
dann empfing eine gehörige Solche. Bin nun ein wenig aus der Bahn
geworfen und werde mal ’ne Pause machen.
|
Siehe zu den Flüchtlingen in der
Hindenburg
Kaserne von Kreyenbrück Joachim Engelmann: Lebensstation
Kreyenbrück,
Aus der Geschichte der Oldenburger Hindenburg-Kaserne,
Oldenburg, 1995
Die Alliierten brachten brachten nach
Kriegsende in der Hindenburg Kaserne zuerst "Displaced Persons" (DP)
unter, ehemalige Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge. Die aus
westlichen Ländern Stammenden kehrten im Laufe des Jahres 1945 in ihre
Heimatländer zurück. Problematischer war dies mit solchen aus dem Osten,
Russen, Letten, etc. - Siehe Andreas Lembeck: Leben
im Transit.
Hindenburg-Kaserne nach dem 2.
Weltkrieg
In der Kaserne wohnten
vom Clan drei Familien, insgesamt 19 Personen
|