Lebensberichte und Familienchroniken

Gottfried F.

Von Zoppot nach Australien - in vielen Schritten

30.09.2008

 

 

Nana Glen, Australien

Danzig nach dem Krieg … 2. Teil

Also, da bin ich schon wieder. Es hat zu regnen angefangen und es ist ziemlich kühl, so will ich denn alle meine Schweinereien, die mir einfallen, zum Ende bringen.

Dies ist nun ganz aus der Luft gegriffen und gehört in spätere Tage, doch ein Schwein spielt eine Rolle darin und ich möchte diese ja ein für alle mal erledigen.

Es spielte in Kreyenbrück. Eckardt war ungefähr fünf oder sechs Jahre alt und sein täglicher Besuch bei "Billers", die einen kleinen Bauernhof gleich neben unserer Kaserne betrieben, war seine von Mutter erlaubte ganze Freude. Eines Tages kam er ganz aufgeregt heimgesprungen und sprudelte heraus: "Mutti! Billers haben ein Schwein geschlachtet! Sie ziehen ihm gerade den Mantel aus!! Sie sind schon bei den Knöpfen!!!"

Das war’s. Da enden meine Schweinereien. Wenigstens alle, an die ich mich bis jetzt erinnern kann.

Nun bin ich wieder in Danzig und Halt!! Es geht noch nicht ohne Schwein. Doch diesmal brachte es uns Glück mit allen seinen Teilen!

Mutter war mit uns Jungs, ihrer Kerntruppe, also wieder im Werder auf Beute aus. Durchs Wasser watend erreichten wir einen ziemlich großen vereinsamten Bauernhof. Wie gewöhnlich, mit großem freien Innenhof. Ich weiß nicht mehr, was für Kleinigkeiten wir dort fanden und ob überhaupt etwas. Wir stöberten überall herum. Auch kamen wir am wohlgepflegten Misthaufen vorbei. Der Misthaufen war in jenen Tagen des echten Bauern ganzer Stolz, und er wurde sehr bedacht. Meistens befand sich eine auszementierte Grube unter ihm, um die Jauche aufzufangen. Wenigsten drei Seiten waren eingemauert, um eine gewisse Stabilität zu garantieren, denn all der Stallmist von dem Vieh, das Stroh voll mit Schitt und Pisse, wurde wie Gold gewertet. War doch der Mist die beste Düngung der Felder.

Die Jauche wurde im Frühjahr in den Kübelwagen gepumpt. Selbiger hatte hinten einen Auslass, der, wenn der Wagen dann über den gepflügten Acker gezogen wurde, einen feinen Jaucheregen versprühte.

Zurück zu uns. Wir streiften über den ganzen Hof und fanden wohl nichts besonderes, doch Irma Ella hatte einen ungewöhnlichen Gedankenblitz. Sie sagte sich, dass der Bauer doch recht plötzlich und in Hast geflohen sein müsste. So beinahe in der letzten Minute der Fluchtmöglichkeit. Auch dachte sie, dass er unmöglich alles habe mitnehmen können, und mehr noch, wo würde der kluge Bauer all die Dinge verbergen, die er dem Feind nicht gönnen wollte und wo dieser jene nicht finden würde, auch wenn die Dinge dabei verderben würden?

Natürlich im Misthaufen! Ja, da würde er es vergraben!!! Und so gruben wir den mit bloßen Händen durch den Dung, und siehe, wie reichlich deckte sich da unser leergeputzter Tisch!!!! Schinken kamen zum Vorschein. Nicht einer, nein, sieben brachten wir ans Tageslicht!! Nicht die dicken Arschbacken Schinken, sondern die Vorderbeine. Schoen geräuchert und gejaucht.

Na, wir ließen keinen zurück. Wuschen sie unter der Pumpe so gut es ging, kratzten ein wenig die erste Schicht ab um zu sehen, ob da was zu retten war, und ja, die Schinken waren alle genießbar. Überglücklich kajohlten wir nach Hause, bemüht, der Welt nicht zu glückliche Gesichter anzubieten, denn selber essen macht fett.

Es war ein sehr schöner Tag, und mit ihm habe ich nun wirklich alle "Schweinesachen" durchgehechelt …

Eine der letzten Werder-Beute -Trips, den ich nie vergessen konnte und werde, war grauslich, und ich mache es kurz.

Wir Brüder waren ohne Mutter im Werder. Wir zogen entlang der Landstrasse, vorbei an totem Vieh aller Gattungen, bis wir zu einer ausgebombten Landbibliothek kamen. Die Wände waren alle nach außen gefallen und vom Dach nichts zu sehen.

Bücher zu Hauf lagen überall verstreut und wir stürzten uns darauf. Ich langte nach einem dicken Buch, das da so halb eingeklemmt unter anderen Büchern lag. Am Rand befand sich ein rötliches Büschel Wolle, das ich mit dem Buch zusammen rauszerrte. Mit einem Ruck gelang es mir. Da hatte ich das schwere Buch in den Händen und an der rötlichen Wolle baumelte ein violett-blauer Kopf. Wir rannten voller Entsetzen in Richtung Heim, vorbei an dem uniformierten Eigentümer besagten Kopfes, den wir ja schon auf dem Hinweg hatten liegen sehen, ohne ihm große Beachtung zu schenken, denn wir hatten ja schon so viele Tote liegen sehen. Diesen Kopf werde ich jedoch nie ganz vergessen.

Selbst jetzt habe ich sogar noch ein bisschen die Nase voll und mache eine Pause.

Das nächste mal werden wir Omas Haus verlassen und versuchen, nach Oliva zu gelangen, wo doch Tante Lotte mit Gisela, ihrer Tochter zu finden seien sollte. Bis dann.