Nana Glen, Australien
Danzig nach dem Krieg … 2. Teil
Also, da bin
ich schon wieder. Es hat zu regnen angefangen und es ist ziemlich kühl,
so will ich denn alle meine Schweinereien, die mir einfallen, zum Ende
bringen.
Dies ist nun ganz aus der Luft gegriffen und gehört in
spätere Tage, doch ein Schwein spielt eine Rolle darin und ich möchte
diese ja ein für alle mal erledigen.
Es spielte in Kreyenbrück. Eckardt war ungefähr fünf oder
sechs Jahre alt und sein täglicher Besuch bei "Billers", die einen
kleinen Bauernhof gleich neben unserer Kaserne betrieben, war seine
–
von Mutter erlaubte
–
ganze Freude. Eines Tages kam er ganz aufgeregt heimgesprungen und
sprudelte heraus: "Mutti! Billers haben ein Schwein geschlachtet!
Sie ziehen ihm gerade den Mantel aus!! Sie sind schon bei den
Knöpfen!!!"
Das war’s. Da enden meine Schweinereien. Wenigstens alle,
an die ich mich bis jetzt erinnern kann.
Nun bin ich wieder in Danzig und
–
Halt!! Es geht noch nicht ohne Schwein. Doch diesmal brachte es uns
Glück mit allen seinen Teilen!
Mutter war mit uns Jungs, ihrer Kerntruppe, also wieder
im Werder auf Beute aus. Durchs Wasser watend erreichten wir einen
ziemlich großen vereinsamten Bauernhof. Wie gewöhnlich, mit großem
freien Innenhof. Ich weiß nicht mehr, was für Kleinigkeiten wir dort
fanden und ob überhaupt etwas. Wir stöberten überall herum. Auch kamen
wir am wohlgepflegten Misthaufen vorbei. Der Misthaufen war in jenen
Tagen des echten Bauern ganzer Stolz, und er wurde sehr bedacht.
Meistens befand sich eine auszementierte Grube unter ihm, um die Jauche
aufzufangen. Wenigsten drei Seiten waren eingemauert, um eine gewisse
Stabilität zu garantieren, denn all der Stallmist von dem Vieh, das
Stroh voll mit Schitt und Pisse, wurde wie Gold gewertet. War doch der
Mist die beste Düngung der Felder.
Die Jauche wurde im Frühjahr in den Kübelwagen gepumpt.
Selbiger hatte hinten einen Auslass, der, wenn der Wagen dann über den
gepflügten Acker gezogen wurde, einen feinen Jaucheregen versprühte.
Zurück zu uns. Wir streiften über den ganzen Hof und
fanden wohl nichts besonderes, doch Irma Ella hatte einen ungewöhnlichen
Gedankenblitz. Sie sagte sich, dass der Bauer doch recht plötzlich und
in Hast geflohen sein müsste. So beinahe in der letzten Minute der
Fluchtmöglichkeit. Auch dachte sie, dass er unmöglich alles habe
mitnehmen können, und mehr noch, wo würde der kluge Bauer all die Dinge
verbergen, die er dem Feind nicht gönnen wollte und wo dieser jene nicht
finden würde, auch wenn die Dinge dabei verderben würden?
Natürlich im Misthaufen! Ja, da würde er es vergraben!!!
Und so gruben wir den mit bloßen Händen durch den Dung, und siehe, wie
reichlich deckte sich da unser leergeputzter Tisch!!!! Schinken kamen
zum Vorschein. Nicht einer, nein, sieben brachten wir ans Tageslicht!!
Nicht die dicken Arschbacken Schinken, sondern die Vorderbeine. Schoen
geräuchert und gejaucht.
Na, wir ließen keinen zurück. Wuschen sie unter der Pumpe
so gut es ging, kratzten ein wenig die erste Schicht ab um zu sehen, ob
da was zu retten war, und ja, die Schinken waren alle genießbar.
Überglücklich kajohlten wir nach Hause, bemüht, der Welt nicht zu
glückliche Gesichter anzubieten, denn selber essen macht fett.
Es war ein sehr schöner Tag, und mit ihm habe ich nun
wirklich alle "Schweinesachen" durchgehechelt …
Eine der letzten Werder-Beute -Trips, den ich nie
vergessen konnte und werde, war grauslich, und ich mache es kurz.
Wir Brüder waren ohne Mutter im Werder. Wir zogen entlang
der Landstrasse, vorbei an totem Vieh aller Gattungen, bis wir zu einer
ausgebombten Landbibliothek kamen. Die Wände waren alle nach außen
gefallen und vom Dach nichts zu sehen.
Bücher zu Hauf lagen überall verstreut und wir stürzten
uns darauf. Ich langte nach einem dicken Buch, das da so halb eingeklemmt
unter anderen Büchern lag. Am Rand befand sich ein rötliches Büschel
Wolle, das ich mit dem Buch zusammen rauszerrte. Mit einem Ruck gelang
es mir. Da hatte ich das schwere Buch in den Händen
–
und an der rötlichen Wolle baumelte ein violett-blauer Kopf. Wir rannten
voller Entsetzen in Richtung Heim, vorbei an dem uniformierten
Eigentümer besagten Kopfes, den wir ja schon auf dem Hinweg hatten
liegen sehen, ohne ihm große Beachtung zu schenken, denn wir hatten ja
schon so viele Tote liegen sehen. Diesen Kopf werde ich jedoch nie ganz
vergessen.
Selbst jetzt habe ich sogar noch ein bisschen die Nase
voll und mache eine Pause.
Das nächste mal werden wir Omas Haus verlassen und
versuchen, nach Oliva zu gelangen, wo doch Tante Lotte mit Gisela, ihrer
Tochter zu finden seien sollte.
–
Bis dann.
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