Nana Glen, Australien
Bromberger Karnickel und andere
Abenteuer
Es ist 9.30 vormittags in
Nana Glen, seit mehr als zwei Tagen immer noch sogenannter Winter. Kühl
ist es und Sonne wechselt mit leichtem Regen, den wir hier ja immer sehr
gebrauchen können. Habe mein, wie immer, sehr wichtiges Frühstück
gehabt, die Hunde mit dem täglichen Spaziergang zum Fluss zufrieden
gestellt.
Charly, mein King Charles
Pinscher, klemmt sich, wie immer, zwischen meinen Rücken und die
Sitzlehne, so dass mein armer Hintern nur wie an einem Fingernagel an
der Sitzkante hängt. Er gewinnt immer, was bedeutet, dass ich ein
Schwächling bin, oder ein weiches, liebendes Herz über besagten,
leidenden Hintern schlägt. Ich beschließe, die Entscheidung nicht zu
treffen, Charly von seinem Platz zu verscheuchen oder nicht. Ich bin
einfach zu feige oder zu bescheiden. – Schon wieder eine Entscheidung,
der ich einfach entfliehe.
Also, ich versuche den
zweiten Teil der Bromberger Erinnerung ins Leben zu rufen!! – Eisiges
Schweigen – Warum denn nur??? Ist da nichts geschehen?
Nichts berichtenswert???
Die Hühner sind ja schon
vorbeigeflattert und werden nur noch mal später in betrüblicher Weise
auftauchen müssen. Oh ja! – Da sind ja noch die Hasen (sprich Kaninchen)
im Pfeffer, wie es wohl erlaubt ist zu sagen.
Um von den Kaninchen zu
sprechen, muss ich wohl mit Vater beginnen, denn er war so ziemlich der
Einzige, der noch große Begeisterung an selbigen empfand.
Nicht, dass sie nicht sehr
schön anzusehen und auch sehr verschieden waren, jedoch auch eine Menge,
ja, KINDERARBEIT verlangten.
Darüber herrschte unbedingte
Klarheit, besonders nach Vaters Meinung.
Ich war ja noch ziemlich
klein, auch wenn mein Zeigefinger (wie schon erwähnt) auf anderem Felde
Beschäftigung gefunden hatte. So glaube ich, dass es mehr meine älteren
Brüder waren, die der Hund gebissen hatte.
Schön und vernünftig war der
Kaninchenstall gedacht und ausgeführt. Ich glaube, wenigstens 3,5 Meter
lang, 2 Meter hoch, ungefähr 85 cm tief, aus Holz gebaut mit weit
überhängendem und mit Teerpappe gedecktem Dach als Wetterschutz. Ich
glaube, dass der Stall wenigstens drei übereinander liegende Reihen mit
je vier Käfigen beherbergte. Jeder Käfig hatte einen grillartigen Boden,
um den reinlichen Tieren ein unbewusst gezieltes Scheißen zu erlauben,
ohne mit den Geschossen für lange Zeit in Berührung zu bleiben. Denn
unter den Gitterböden, in Backofenmanier, waren herausziehbare
"Kuchenbleche".
Ich glaube mich zu erinnern,
dass an diese Bleche, auf höchstem Befehl, sich fast täglich meiner
Brüder zarter Händchen zu klammern hatten, um ausgelehrt, abgekratzt und
mit Sägemehl bestreut zu werden. All das in der Erwartung seitens des
liebenden Vaters, eine natürliche, heitere Freude auf meiner Brüder
Gesichter zum Ausdruck zu bringen. – Hier darf ich bescheiden anmerken,
dass Eltern nicht unbedingt immer Recht haben!
Diese Kaninchen entwickelten
eine große Liebe zu Vater. Und dieser wiederum entwickelte schnell den
Ehrgeiz, auch ein Züchter von anständigen Produkten zu werden.
Hier gleich ein großes
Drama, das wirklich passierte. Vater hatte einen sehr schönen, starken,
osterhasenbraunen Rammler erstanden, den er als einen großartigen
Begatter beschäftigen wollte (was diese Tierchen ja so ganz besonders zu
tun lieben, mit unfehlbarem Erfolg, beneidet von so manchem männlichen
Menschenbürger).
Einer der Käfige blieb immer
unbewohnt, um das jeweilige Kaninchen, dessen Käfig gerade gesäubert
wurde, vorübergehend aufzunehmen.
Da war auch eine ebenso
farbige Häsin in einem eigenen Käfig, wohl entfernt von dem großen
Liebhaber. Vater war stolz und erwartungsvoll.
Hier muss ich nun
einschieben, dass die Kaninchen als eines unserer beliebtesten
Sonntagmittagsessen dienten (kein fettes Fleisch). Dies war auch einer
der Gründe, weswegen wir sie hielten. Denn es war Krieg, und der war
schon fast verloren, und Lebensmittel gab es nur auf Marken. Zum
Überleben musste man selber Nahrungsmittel produzieren.
Es ist fast unmöglich zu
erkennen, was ein Männchen oder ein Weibchen unter den Kaninchen ist,
selbst wenn man sie bei ihrer Liebesbeschäftigung überrascht. Haben sie
nun noch die gleiche Farbe, ist es gänzlich unmöglich.
Vaters Chauffeur musste es
immer übernehmen, der Mörder unseres Sonntagsbratens zu sein. Wie groß
war die Überraschung und noch mehr das Entsetzen, als Vater entdeckte,
dass die zum Verspeisen vorgesehene Häsin in Wirklichkeit der zur
Aufzucht geplante Rammler war.
Ein kindliches Versehen beim
Stallausmisten, das mein temperamentvoller Vater keinem seiner
unschuldigen Kinder verzeihen konnte und wollte.
Malt euch die Folgen selber
aus, denn ich verlor das Bewusstsein, und so auch die Erinnerung an
Selbige.
Etwas Seltsames aus dem
kurzen Jahr in Bromberg will ich berichten. Es gab mir große Rätsel auf
und nie eine genügende Erklärung.
In unsere Strasse, gerade
uns gegenüber, wohnte unter anderem auch eine große, kurzhaarige braune
Hündin. Nichts Besonderes oder Liebenswertes. Ganz und gar nicht. Und
dann war da auch noch ein ziemlich kleiner Kläffer, männlich,
schwarzweiß gefleckt, vielleicht ein Foxterrier oder einfach eine
Promenadenmischung.
Nun, mehr als oft, sah ich
die beiden zusammen, und mit "zusammen" meine ich, "zusammen", und zwar
durch eine unsichtbare Verbindung, oder ein Verbindungsglied, hing der
kleine Köter, die Hinterbeine 10 Zentimeter in der Luft, Hintern an
Hintern von besagtem Hundefrauenzimmer herab. So trabten die beiden oft
die Strasse entlang. Sie vorwärts, er rückwärts und nur auf den
Vorderbeinen. Rätselhaft war mir das oft und immer, und die Erwachsenen
schienen auch nur verstohlen in ihre Richtung zu schielen. – Was sollte
da wohl geschehen sein??? Und so Neid erregend oft und offen. Noch heute
schüttele ich den Kopf in Unverstand.
Sagt mir doch, was mag das
wohl gewesen sein???
Eine andere, recht
schreckliche Sache war eine allgemeine Schulimpfung gegen irgendetwas,
das ich vergessen habe. Nicht vergessen konnte ich jedoch die Schmerzen
und allgemeine Pein, die sie fast jedem in der Stadt bereitete. Der
Impfstoff war verdorben. Fast jeder Kinderarm entzündete sich.
Christiane traf
es besonders schwer in unserer Familie. Ihr Arm vereiterte gefährlich
und noch heute hat sie eine deutliche Narbe davon. Ich bekam nur so
etwas wie ein Furunkel, doch gab es sogar Todesfälle. Nur das Ende des
Krieges verhinderte eine erfolgreiche Untersuchung.
Da ist doch noch mehr zu
erzählen von Bromberg und unserer kurzen Zeit dort, die Flucht und viel
mehr. Es wird also eine weitere Erinnerung folgen müssen.
Für heute ist also Pause.
Nanna Gen 12.30 PM |