Das Vaterland braucht Soldaten damit
die Zivilisten ruhig schlafen können
So wurde ich aufgefordert, nun als Hendrik
Mandey zur Militärmusterung zu erscheinen, dem ich auch pflichterfüllend
nachkam.

Die Musterung fand in Nowy Dwor / Tiegenhof statt. Es hieß
"Bekleidung ablegen", und der Einmarsch fand im Adamskostüm statt. Man
hätte auch noch ein Liedchen singen können wie „Es läuten die Glocken im
Königstal“. Nach dem obligatorischen Auftritt von einem Menschen im
weißen Kittel - Sanitäter oder Medizinmann, keine Ahnung - ertönte das
Kommando „Bücken sie sich und husten sie mal“, wobei der Weißkittel sich
das Ganze von achtern anschaute und anhörte. Der Kandidat vor mir war
sehr aufgeregt. Als er in dieser gebückten Stellung stand wollte er
gleich etwas mehr tun. Beim Husten stieß er einen Laut von hinten
heraus, es knallte und stank fürchterlich. Der Weißkittel fragte den
Kandidaten, ob er sich nicht unter Kontrolle habe. Die Antwort weiß ich
nicht mehr. Nach dem Bücken und dem Husten war ich glücklich, dass es
bei mir nur bei dieser Aufforderung geblieben war. Ich wurde
weitergereicht. An einem Tisch saßen einige Gestalten in Zivil - wer das
war? Wir erhielten das Untersuchungsergebnis mitgeteilt: Tauglich. Nun
wurde jeder gefragt, möchten Sie ihre Pflicht beim Militär erfüllen? Ja,
ich wollte. Sie müssen nicht, sie können auch für zwei Jahre einen
"Zivildienst" antreten. Zivildienst bedeutete, in Schlesien im Bergbau
zu schuften oder eine andere schwere Arbeit zu leisten. Aber so viel
Arbeit wollte ich mir nicht antun.
Genau Mitte der 50-er Jahre, im Dezember,
musste ich mich in Gdansk / Danzig am Hauptbahnhof einfinden. Nur durch
Zufall erfuhr ich, bei welcher Gattung man mich einsetzen wollte.
Nachdem sich schätzungsweise 50 Mann versammelt hatten, setzte sich der
Zug in Bewegung. Die Endstation erreichten wir gegen 19 Uhr. Von dort
wurden wir zur Kaserne geführt. Der Fußmarsch dauerte circa 10 Minuten.
Anschließend durften wir in den Speiseraum zum Abendessen gehen,
begleitet vom diensthabenden Unteroffizier. Es gab ein üppiges
Abendessen: Schwarzen Malzkaffee, zwei Schnitten Kommissbrot und etwas
Schmalz, versehen mit dem Hinweis, das Militär mäste nicht sondern es
unterrichte. Am nächsten Morgen Wecken, um 7 Uhr Frühsport, danach
Frühstück, das gleiche wie das Abendessen. Anschließend wurden wir zum Haareschneiden gebracht. Nachdem der Frisör mit uns fertig war, erkannte
einer den anderen nicht mehr: Wir hatten alle eine Glatze erhalten, aber
immerhin kostenlos, und daran änderte sich die folgenden 12 Monate auch
nichts. Mit der Glatze ging es jetzt zur Badeanstalt. Dort mussten wir
uns ausziehen, um anschließend entlaust – ja, entlaust – zu werden.
Danach mussten wir unter die Dusche. Der Rückmarsch dauerte circa 5
Minuten mit nacktem Oberkörper bei circa 10 Grad minus. Doch hatten wir
an diesem Tag einen blauen Himmel und Sonnenschein pur - wir schrieben
den 12.12.1955. Zurück in unserem Kasernenausbildungsblock erhielten wir
ein Unterhemd aus Baumwolle - natürlich ohne jegliche Knöpfe - eine
Unterhose, gleiche Ausführung. Diese hatte eine Kordel, damit wir das
Elend einschnüren konnten. Ein Paar Schuhe. Statt Socken gab es
Fußlappen und diese in einem strahlenden Weiß. Die Schuhe färbten ab. Da
kann sich ja jeder vorstellen, wie die Fußlappen nach kurzer Zeit
aussahen. Und am nächsten Morgen mussten diese beim Morgenappell wieder
im strahlenden Weiß erscheinen, wobei zu ihrer Reinigung nur kaltes
Wasser zur Verfügung stand. Warmes Wasser gab es nicht, das wäre Luxus
gewesen. Die Uniform bestand aus Hose, Jacke sowie einem Mantel. Der
Stoff der Bekleidung war eine Art Tuch aber durchaus brauchbar. Dazu
kamen ein Lederkoppel, ein Tornister und eine Gasmaske. Als
Kopfbedeckung eine Tschapka. Die wärmte sehr gut. (Wikipedia:
Tschapka)
Nachdem wir nun geschmückt waren, stellte
sich der für die nächsten drei Monate Grundausbildung verantwortliche
Ausbildungschef vor, im Range eines Offiziers. Er war ein polnischer
Jude. Der Name ist mir noch bestens bekannt, er endete mit -stein am
Ende. Dieser Offizier war das Beste vom Besten was Disziplin,
Gehorsamkeit sowie eine gute Ausbildung betrifft. Außerdem war er als
großer Meister der Schikane bekannt. Der Mann war so beliebt, dass
selbst seine Offizierskameraden nichts mit ihm zu tun haben wollten.


Ich überstand die Grundausbildung relativ
gut in der Schreibstube direkt beim Chef. Er war nicht sonderlich
angenehm, denn er wusste ja, wer ich war, konnte sich aber keinen
anderen aussuchen, denn es war kein anderer da, der für den Posten in
Frage kam. Ich erinnere mich: Oft, wenn das Wetter besonders schlecht
war, stand er am Fenster und machte sich Sorgen. Er meinte dann immer,
dass es ihm sehr unangenehm sei, dass ich heute an der Ausbildung nicht
teilnehmen
konnte, denn diese wäre an solchen Tagen sehr wichtig für
mich. So habe ich meine Grundausbildung gut überstanden. Nach dieser
absolvierte ich eine Panzerausbildung. Dort kam es nicht auf das exakte
Marschieren an, sondern andere Dinge waren gefragt. Da war etwas Grips
die notwendige Voraussetzung. Nach weiteren zehn Monaten Wehrzeit in der
Nähe von Olsztyn / Allenstein verbrachte ich drei Monate in einer
Panzerschule zur Weiterbildung. Wir hatten als Panzerleute schon unsere
Pflichten. Vor allen Dingen waren wir verantwortlich für Werte, die eine
Million überstiegen. Aber dafür hatten wir fast schon Narrenfreiheiten.
Die Panzeroffiziere sprachen wir natürlich mit Sie an, aber einige von
denen redeten uns mit unseren Vornamen an.

Militärführerschein
Der lang ersehnte Tag: Entlassung aus der
Armee
Ende Oktober 1957 war es endlich soweit,
ich wurde vom Wehrdienst entlassen und kehrte überglücklich zu meinen
Eltern wohlbehalten zurück. Nach circa zwei Wochen wurde ich wieder
Fischer.
Es lebten zu dieser Zeit in Mikoszewo /
Nickelswalde einige polnische Kriegsveteranen, von den ich wegen meiner
Wehrzeit auch anerkannt wurde. Im allgemeinen habe ich keinen Grund
gehabt, den Polen etwas nachtragen zu müssen.
Die Ausreise
Ende Juli 1958 stellten meine Eltern und
ich einen Ausreiseantrag für die BRD. Der erste wurde abgelehnt,
der zweite wurde dann genehmigt, und die Übersiedlung in die BRD
erfolgte Mitte Dezember. Wir durften den Hausrat mitnehmen, der separat
per Bahn transportiert wurde, natürlich gegen Bezahlung.
Nach dem Durchlaufen einiger
Flüchtlingslager erfolgte die Einweisung an einen festen Wohnort.

Der letzte polnische Pass
- wieder als Heinz Mandey

Nun sind seit meiner Ausreise 54 Jahre
vergangen. Geblieben ist mir eine gute Erinnerung und über die Jahre
eine Freundschaft mit einer jetzt 91-jährigen Dame in Nickelswalde, zu
der ich noch heute gute Kontakte pflege. Diese werden wohl nicht
abbrechen, es sei denn, es kommt der Wunsch von ganz oben mit den
Worten, komm zu mir, deine Zeit ist abgelaufen.


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