Orgeln und ihre Erbauer im Weichsel-Mündungsgebiet

11/2022
 

Aufgrund dieser Website meldet sich im Oktober 2022

Dr. habil. Krzysztof Urbaniak, Prof.
Akademia Muzyczna in Łódź
www.amuz.lodz.pl

Er schreibt u.a. : "Seit etwa 2008 widmete ich mich, zusammen mit dem Baltischen Orgel Centrum e.V. (https://www.orgelcentrum.de), in dessen Vorstand ich seit mehreren Jahren sitze, der Erforschung und Erhaltung Ost- und Westpreußischer Orgeln."

Das Mail-Archiv gecheckt: Den Namen hatte ich bereits einmal, 2016. Dan Reese, USA, fragt nach Informationen über die Kirche von Zeyer und erwähnt dabei eine Anfrage von Krzysztof ....

Es erfolgt ein mehrfacher Mailaustausch mit Krzysztof, der hier strukturiert wiedergegeben und mit manchen Links und Informationen ergänzt wird.

Ein Abenteuer ...

Das erste große Projekt war eben die Hildebrandt-Orgel von Pr. Holland. Dieser große Orgelbaumeister brachte nach Danzig eine völlig neue Tradition, die eng mit dem Stil später Arp-Schnitger-Schule (also Hamburg!) verwandt ist, doch auf eigenen, originellen Elementen basierend.

Wikipedia: Andreas Hildebrandt, * Danzig zwischen 1681 und 1691, † Danzig 1762, mit Werkliste

Rechts: Weichbrodt, Dorothea: Patrizier, Bürger, Einwohner der Freien und Hansestadt Danzig, Einwohner der Freien und Hansestadt Danzig in Stamm- und Namenstafeln vom 14. bis 18. Jahrhundert, 5 Bände, Kiel, 1986 - 1993, veröffentlicht vom VFFOW,
Ausschnitt aus der Tafel "Hildebrandt"

Einen ausführlichen genealogischen Bericht über Andreas sen. und jun. Hildebrandt erstellte Michalak, Jerzy Marian: Andreas Hildebrandt - Unbekannte Einzelheiten zur Biographie eines bekannten Orgelmeisters und seiner Familie, in: Greifswalder Beiträge zur Musikwissenschaft 18, Aufsätze zur Musik- und Theatergeschichte Danzigs vom 17. bís 20. Jahrhundert, Berlin 2012, S. 193 - 209

Vor Hildebrandt war die Region und Danzig selbst von der aus dem Krakauer Gebiet stammenden und aus drei Generationen bestehenden Nitrowski-Familie dominiert. Diese Familie zeigt schon in ihrer Genealogie, die ich erforscht habe, die ganze Komplexität der alten Situation im Nordosten: eine deutschsprachige, evangelische Familie aus Waralia im Zips, polnischen Namens, mehrere Jahre in Krakau tätig, dann mit dem Kreisen des Warschauer Königshofes verbunden, ab 1649 in Danzig ansässig und von da aus - durch königliche Priviliegien der Jurisdiktion der Zünfte und Gerichtshofe ausgenommen - ihre Orgeln in der gesamten 1. Polnischen Republik bauend. Die älteste Orgel, an deren Bau die Familie Nitrowski mitgewirkt hat, ist Olkusz bei Krakau (1611-1631 erbaut https://www.youtube.com/watch?v=1C3yUPyGzPU) und 2015-2018 durch Flentrop (Holland) vorbildlich restauriert. Ende dieses Jahres soll endlich unsere Monografie über die Olkusz-Orgel und die Nitrowski-Familie publiziert werden (Ortus Verlag, Beeskow: zweisprachig Deutsch-Polnisch).

Wikipedia: Nitrowski (Orgelbauer)

Bei Dorothea Weichbrodt gibt es den Namen nicht.

In vielen der auf Ihrer Website erwähnten Orten bauten die Nitrowskis Orgeln:

  • Steegen: 1665 von Georg Nitrowski d. Ä. erbaut, 1678 von Andreas Nitrowski restauriert, 1712 von Daniel Nitrowski mit seinem Sohn Benjamin erweitert, schliesslich 1798 von Friedrich Rudolf Dalitz (einem Schüler und Nachfolger von Hildebrandt) durch einen Neubau ersetzt.

Die Orgel in Steegen.

Oben rechts und unten, Winderzeuger "Ventus" von der Firma Aug. Laukhuff, Weikersheim, auf dem Dachboden der Kirche, wenn ich mich recht entsinne, von ca. 1910 oder 1920

Burkhart Goethe: Verlust für den Orgelbau weltweit · Firma Laukhuff in Weikersheim schloß für immer ihre Tore, in "Kirchenmusikalische Mitteilungen, Nr. 149, Dezember 2021, S. 57 ff, siehe
https://www.amt-fuer-kirchenmusik.de › KMM_149

  • Barendt: In der Kirche steht bis heute eine um 1680 gebaute, Andreas Nitrowski zugeschriebene, Orgel.
    Bild rechts.

  • Palschau (heute eine Filialkirche von Barendt): Eine um 1650 von Georg Nitrowski d. Ä. erbaute Orgel, 1909 durch einen Neubau von Wittek / Elbing ersetzt; von der alten Nitrowski-Orgel blieb das herrliche Gehäuse mit den bamalten Frontpfeifen erhalten.

  • Groß Zünder: Hier baute der aus der Nitrowski-Schule stammende Martin / Marten Kawinski / Kawintzkj 1669 -1671 eine neue Orgel, deren Geschichte inklusive Beschreibung im Großzünderschen Kirchenbuch in Berlin enthalten ist.

    Aus der Chronik der Kirche Groß Zünder:

    Anno 1671. Den 16. Octob: hatt der Ehrenveste und Wohlgeachte Herr Nathanael Wolf Bürger und Mältzen Bräuer in der Alten stad Dantzigk, unserm Gottes Hause zu Ehren, daß eine theil deß Neuen Chors zwischen den beyden Thüren, Süd und Norden an dem Orgel Chor Mahlen lassen und VerEhret. Hatt gekostet 30 f. bey deß Mahlers Kost od. Speisung.

    Anno 1671. Den 22. Octob: hatt der WohlEhren Veste und fürnehme Herr Gottfried Günter, Vornehmer Kauf und Handelsman in Dantzigk, hiesigem Gottes dienst zu Ehren daß Orgel oder Schüler Chor Mahlen lassen hatt gekostet in allem 100 f.

    Anno 1671 Orgel. Am Tage deß H. Bischoffes Martini Ist daß mit hl. Martin Kawintzki Anno 1669 Verdungene und den 18 Oct: am tage S. Licae desselben Jahres, Von S. HochwohlE. Gestrl. Hrtn. Adrian von der Linde, Eltesten Herrn Bürgermeister und Verwalter dieses Werders, bestättigte Orgelwerk, Mit 13 Stimmen, als 1. Ein principal Vor 8; 2. eine Flöte von 8; 3. ein Salcinal von 8; 4. ein Quintadera vin 8; 5. eine Trombona von 8 Halbiret; 6. ein Octava von 4; 7. eine Flüte von 4; 8. eine Spielflöte von 4; 9. eine BlokFlöte von 2; 10. eine Qumta von 3; 11. eine Super Octava von 2. 12. Sedecina von 1; 13. Mixtura Von 1 mit 3 pfeifen, und eine Tremulanten. Durch Herr Caspar Wekkern Organisten zum H. Leichnam, der es fertig befunden, in gegenwart meiner und Hans Klein, Daniel Krause, und Bartelmes Greber Vorsteher dieser Kirche, Hans Hannau Schultz alhir und Daniel Horn Schultz zu Kleinen Zinder und Sigmund Goldbach werderischer Ambtdiener, geliefert und dem Neuen Schulmeister und Organisten Georgio Cyro alhir, * vertrauet worden, Kombt an Paarem Gelde, dem Orgelbauer Martin Kawintzky in Dantzigk zu bezahlen Ein tausend Gülden gerade, polnisch 30 grl. den f. gerechnet, wie Verdungen worden, und weil Er eine Lange Zeit hieraussen an diesem werk gearbeitet, bald selb ander, bald selb dritte, und wider den Contract, welcher nur bey aufsetzung deß werkkes lautete und abgeredet worden, gespeiset werden müssen, so ist dafür item für Licht und Kohlen aufgelaufen und bezahlet worden, einmal 16 f. 28 grl. hernach in der Hakenbude, da sie gespeiset worden, 310 f. 14 grl. und haben die Leute in der Hakenbude nicht mehr den 6 grl. von ieder Person, für die Mahlzeit genommen, und doch wohl gespeiset haben.

    Mehr über die Chronik des Kirche von Groß Zünder.

    1750 bedarf die Orgel einer Reparatur.

    Es hat die Orgel unserer Kirchen einer großen Außbeßerung hoch nöhtig, indem nicht allein die blaßälga, sondern auch viel Stimmen in derselben fast unbrauchbar sind. Da nun aber die reparirung derselbigen ein Werk ist, welches Zur Ehre Gottes, auch zum Nutzen und zur Zierde unserer Kirchen gerrichet; und die Verligenheit der Kirchen zu diesen Unkosten jederman bekant ist : als werden alle und jede aufrichtige wahre Mitglieder dieser unserer gemeine, so in Groß- als in Klein Zünder, im Geiste gebehten und ermochert, in Erwegung, daß uns der höchste Gott unsre Saat und folgende Erndte bißher so freulich und gnädiglich, vor allerley Schaden und Verderben, auch Von Ungeziefer und den Heuschrecken wieder behütet hat; daß ein jeglicher nach seinem Stande und Vermögen Von seiner Gabe eine milde beysteuer der Kirchen zu diesem vorhabenden Werke mit gutem Hertzen auß freigem Willen und ohne unseren thun möge, welcher denn der allgütige Gott auß seiner reichen Segensfülle einem jeden wiederumb Zeitlich und ewig nach seiner Gnade vergelten wird.

    Es erfolgt eine Kollekte im Jahr 1750, bei der die Spender eigenhändig ihre Unterschriften in das Kb setzen - siehe hier.

  • Marienau besitzt bis heute ein herrliche Renaissance-Orgelgehäuse von ca. 1600, zwar mit den alten Windladen und Mechanik, leider ohne Pfeifen.

  • Müggenhahl: eine historische Aufnahme der Hildebrandt-Orgel von Müggenhahl (die hat bis heute einen - leider ausgeplünderten - Zwilling in Güttland).

  • Auch in Zeyer stand mal eine Orgel 1726 von Hildebrandt erbaute Orgel, die 1756 von seinem Schüler Dalitz um zwei seitliche Baßtürme (?) erweitert wurde.

  • Wotzlaff: Ein Foto der von Andreas Hildebrandt aus Danzig 1732 erbauten Orgel in Wotzlaff. Es handelt sich dabei um ein schon 1984 veröffentlichtes Foto (Jan Janca / Werner Renkewitz: Geschichte der Orgelbaukunst in Ost- und Westpreußen von 1333 bis 1944, Abb. 46), welches aber sonst nicht zu finden ist.

  • Preußisch Holland: Ich lade Sie herzlich auf die Internetseite der Hildebrandt-Orgel in Pr. Holland (http://hildebrandt-paslek.pl/index.de.html), die bis jetzt das einzige restaurierte Werk von Andreas Hildebrandt ist, ein.