Landau / Lędowo

Erinnerungen an Landau von Gerda Claassen

09/2023
 

 

Pfingsten 2014

Wohnhaus mit Laden und Gaststube

Unsere Laden-Öffnungszeiten

8.00 Uhr – 12.30 Uhr und 14.30 – 18.00 Uhr

Wer außerhalb der Öffnungszeiten in Not war, kam in die Gastwirtschaft und erhielt dann auch das Gewünschte.

Immer wenn jemand den Laden betrat, stieß die Tür gegen die Türglocke.

Laden rechts hinten - Wikipedia: Alaune

rechte Ladenecke vorn - "Salamander": Hat vermutlich mit der Schuhmarke Salamander zu tun. Schuhe werden in diesem Laden jedoch kaum verkauft. Handelt es sich um in Danzig gekaufte Schuhe und der Karton dient zur Aufbewahrung von etwas anderem? Oder vertrieb Salamander Schuhzubehör wie z. B. Schuhcreme, Schuhbänder, Schuhbürsten, etc. ? Die würde man jedoch wohl eher nicht auf die Margarine stellen.

Große Tür in die Gaststube

Außentür vom Laden - Wikipedia: Orchestrion, ein Musikautomat

Gaststube

Jeweils ein Sofa mit Tisch stand an den Außenwänden, dazwischen gab es noch zwei Tische mit Stühlen. Auf den Sofas hüpften wir Kinder gerne herum. Als wir uns einmal gerade wieder einen Bonbon aus einem der schräg liegenden Bonbongläser im Laden geholt hatten (wir durften das), gingen wir wieder auf die Sofas zum Hopsen. Dabei verschluckte sich Traute am Bonbon und bekam keine Luft mehr. Schnell holte ich meinen Vater. Der nahm Traute an den Füßen und ließ sie kopfüber hängen. Ich musste ihr auf den Rücken klopfen und dann rutschte der Bonbon zum Glück heraus.

Der Wareneinkauf in Danzig

Die Waren für unseren Laden holte mein Vater aus Danzig, wohin er mit der Kleinbahn fuhr. Beim Großhändler kaufte er die notwendigen Waren, der diese dann zur Kleinbahn bringen ließ oder Papa mietete für diese Strecke ein Fuhrwerk. In Landau angekommen, belud er das von seinem Freund Gerhard Daniels geliehene Fuhrwerk mit den mitgebrachten Waren und brachte sie so nach Hause. Hier half ihm das polnische Dienstmädchen Anna, den Einspänner zu entladen. Sie war sehr stark und schaffte es, einen Zuckersack allein zu tragen.

Zur Adventszeit nahm er zum Händler dann eine Gans mit, was mit seltenen Waren belohnt wurde.

Im Laden verkaufte Papa die zu wiegenden Sachen, indem er, wenn das Gewicht genau stimmte, als Obolus für den Kunden noch etwas mehr hinzutat. 

Eine Skatrunde in Landau

Jeden Donnerstagabend traf sich um 19.00 Uhr eine kleine Skatrunde, bestehend aus Friedrich Just, Gerhard Daniels und meinem Vater (Hans Claassen) mit ihren Frauen in unserer (der Claassenschen) Gaststube.

Die Männer spielten Skat und tranken dazu Kognak, die Frauen plauderten und tranken Arrak. Die Frauen wollten nicht so viel trinken, also schenkte meine Mutter (Gertrude Claassen) zwischendurch mehrere Runden Wasser aus. Einmal merkten die Männer etwas: „Nanu, unsere Frauen sind ja noch gar nicht lustig?“ Einer wollte dann das Glas mit seiner Frau tauschen, um den vermuteten Schwindel aufzudecken. Doch da Mutti zufällig gerade mal wieder tatsächlich eine Runde Arrak eingegossen hatte, konnte er nichts bemängeln. Gegen 21.00 Uhr löste sich die Runde gewöhnlich auf.

Die Gäste

Wer eine warme Mahlzeit bei uns haben wollte, erhielt ein Bauernfrühstück. Das bestand aus Bratkartoffeln und ein drumherum geklapptes Omelett aus 4 Eiern.

Übernachtungsgäste hatten wir nicht. Das eine kleine Zimmer oben, hinter dem Kinderschlafzimmer hieß „Fremdenzimmer“. Es hatte nur ein Bett. Die einzige, die dort mal übernachtete war Fräulein Velauer, die Schneiderin. Sie nähte für uns Mädchen je ein Kleid. Den Stoff hatten meine Eltern in Danzig gekauft.

Einmal kaufte Tante Berta (Verwandte, Frau von Arthur Schmidt. Dieser kam zu Claassens immer zum Schlachten, er war entweder Schlachter oder konnte es.)  aus Scharfenberg (genau gegenüber von Landau am anderen Mottlau-Ufer) in Danzig Stoff für ein Sommerkleid. Sie kam und erzählte: „Ich habe schönen grünen Stoff gekauft.“ Ein Sommerstoff mit Blümchen. Meine Mutter fuhr nach Danzig und kaufte den gleichen Stoff in blau. Inzwischen überdachte Tante Berta ihren Kauf: „Da war doch noch so schöner blauer Stoff, der war ja eigentlich schöner.“ Und nahm ihren Stoff, fuhr nach Danzig und tauschte ihn gegen den blauen. Meine Mutter erzählte ihr danach: „Ich hab mir den Stoff in blau gekauft“. Tante Berta erkannte ihren Fehler, fuhr wieder nach Danzig und tauschte den grünen Stoff zurück.

Unser Vieh

Das Vieh bestand nur aus einem Schwein, 3 Gänsen und vielen Hühnern.

Unser Land

Richtiges Ackerland hatten wir nicht, nur das Stückchen hinter dem Haus, so groß wie das Haus ist. Und natürlich hatten wir den Garten.

Die Laube

Unsere Laube befand sich gegenüber der Haustür. Sie hatte keine Tür. Der Eingang war oben rundbogig. Die Fenster waren ohne Glas, nur mit schrägen Leisten versehen. Ringsherum an den Wänden des rechteckigen Raumes befand sich eine umlaufende Bank.

3 Meter weiter nach rechts neben der Laube war die Gartenpforte.

Das Rauchen

Überall wurde geraucht. Der einzige im Dorf, der nicht rauchte, war mein Vater. Hat ihm aber nichts genützt. Sein Bruder, der zwei Jahre jünger war als er, hat geraucht und hat länger gelebt als er.

Die „Huppskarre“

Zur Kirchfahrt nach Wotzlaff  borgte Papa oft den Einspänner mit der „Huppskarre“ von Gerhard Daniels aus. Die „Huppskarre“ war ein kleiner Wagen auf nur 2 Rädern und hieß wohl so, weil er auf den unebenen Wegen hopste.

Im Winter ersetzte ein Schlitten die „Huppskarre“. Gern fuhren auch mal zwei Jungen unerlaubt hinten auf den Kufen mit. Dann nahm Papa die Peitsche und hob mit dem Peitschenstiehl einem der beiden die Mütze vom kahl geschorenen Kopf (nur vorn war ein kleines Büschelchen Haare, genannt „Ponny“, stehen geblieben – friseurtechnische Meisterleistungen waren bei Jungen nicht gefordert.). Gleich hüpften die Jungen herunter und erhielten sofort die Mütze des einen zurück. Das klappte ohne Worte, denn die Winter waren kalt.

Auf der Kutschbank saßen die Eltern, dahinter auf dem Boden der kleinen Ladefläche die Kinder (Traute und Gerda). Damit es nicht zu kalt war, wurden heiße Ziegelsteine zum Sitzen ausgelegt und dort, wo die Füße waren, auch noch welche. Dann wurden die Kinder mit einer Decke zugedeckt.

In der Schule

Die Dorfschule von Landau befand sich von unserem Haus aus nur knapp 40 m weiter, an Tante Meta Kleiß, unserem Nachbarhaus, vorbei.

Wenn wir in der Schule ungezogen waren, gab es etwas mit dem Stock auf die Handinnenflächen. Ich sollte auch einmal Schläge mit dem Stock erhalten. Der Lehrer forderte mich auf, die rechte Hand mit der Handfläche nach oben auf die Bank zu legen, was ich auch tat. Aber sofern der Stock niedersauste zog ich sie schnell weg. Das gleiche noch einmal, dann hielt der Lehrer mit einer Hand meine Hand fest. Da klappte ich im entscheidenden Moment die Finger zur Faust und der Schlag ging vorbei. Dann gab der Lehrer meine Bestrafung auf.

Zufügung 2015: Unser Lehrer in Landau hieß Herbert Krüger. Er ging zu meinen Eltern und sagte zu ihnen, er würde empfehlen, mich auf die Aufbauschule nach Danzig zu schicken. Das taten meine Eltern dann auch.

Herr Krüger musste irgendwann in den Krieg. Zur Vertretung kam Lehrer Künnecke aus dem Nachbarort zu Fuß nach Landau. Kurz bevor er den Klassenraum betrat rief ein Kind: „Achtung, 8 Pfund – Künnecke kummt!“ Dieser Lehrer war Mitglied in einem Musizierkreis oder Konzertverein in Danzig. Er war immer sehr müde und schlief auch mal im Unterricht ein.

Schule in Danzig

Erstmal war ich die einzige aus Landau, die nach Danzig zur Schule fuhr, nur zwei Jungen aus dem Nachbarort Hochzeit kamen noch mit. Bis zur 6. Klasse ging ich in Landau zur Schule und danach in die Aufbauschule nach Danzig.

Jeden Tag fuhren wir dann mit der Kleinbahn. Die Straße vom Kleinbahnhof bis zur Mottlau hieß Langgarten. Dann ging man über eine Brücke durch das Milchkannentor, durch die Milchkannengasse über die Grüne Brücke durch das Grüne Tor. Dort bog man links ab und kam dann zum Winterplatz, wo das Gymnasium stand. Die Aufbauschule war im selben Gebäude untergebracht. 10 nach halb Acht sollte der Zug in Danzig ankommen und das hat er fast nie geschafft. Er kam immer erst 10 vor Acht an. Da wir für den Schulweg 20 Minuten benötigten, wären wir nur wenn der Zug pünktlich käme zur rechten Zeit in der Schule angekommen. So kam man ständig 10 min zu spät und entschuldigte sich mit „Der Zug hatte Verspätung“. Anfangs bin ich immer gelaufen, um nicht allzu spät zu kommen, während die anderen schlenderten. Später hat Heinz Tetzlaff meine Tasche getragen. Das war ein Liebesdienst. Das war aber mein Cousin, genauso alt wie ich.

Eine Woche hatten wir vormittags, die andere nachmittags Unterricht, immer abwechselnd. Die Wochen mit dem Nachmittagsunterricht waren irgendwie geruhsamer. Da fing der Unterricht erst um 2 Uhr an. Dann gingen wir zum „Tageskino“ am Langen Markt oder in die Langgasse, wo die Ufa - Festspiele und die Tobisfestspiele waren. Der Besuch der Vorstellung kostete Pfennigbeträge. Taschengeld erhielten wir nicht, aber wenn ich zu meinen Eltern ging und sagte: „Ich brauch mal ein bisschen Geld“, dann bekam ich etwas. An Geld hat´s nicht gemangelt.

Im Kino ging es aber auch noch darum, wie alt man war. Mit zwölf Jahren war man zu jung, man musste schon 14 sein. Ich mit meinen zwei Zöpfen und meine Schwester Traute mit ihren beiden Zöpfen, wir sahen nie wie 14 aus.

Einmal wollten wir „Wiener Blut sehen“, was auch erst ab 14 war. Da gingen wir dann in ein Kino etwas abseits, da wurde nicht so auf das Alter geachtet.

Erinnerungen im Herbst 2014

Umrechnungen

1 Mandel Eier = 12 Eier         1 Schock Eier = 60 Eier

1 Dittchen in Danzig = 10 Pfennige = 1 Groschen im Reich

Nachdem Danzig 1939 ins Reich eingegliedert worden war, musste der Gulden immer in Reichsmark umgerechnet werden. ¾ Reichsmark = 1 Gulden

Ich musste im Laden nachmittags immer umrechnen, weil anfangs noch alle Waren in Gulden ausgezeichnet waren. Den Guldenwert teilte ich zuerst durch 4, danach multiplizierte ich das Ergebnis mit 3 und hatte dann den Wert in Reichsmark errechnet.

Deichbau und Hochwasser

1935 wurde die Mottlau vor unserem Haus ausgebaggert und mit dem Baggergut der Deich deutlich erhöht. In dem Schlamm waren viele Aale drin.

Einmal habe ich in Landau Hochwasser erlebt. Es überschwemmte den Streifen Land vor dem Haus, den Garten und die Wiese. Das muß etwa 1939 gewesen sein. Ich erinnere mich, dass wir in der Schule einen Aufsatz darüber schreiben mussten.

Vorderste Reihe, 3. von rechts Waltraut Claassen,
Reihe dahinter 1. von rechts Gerda Claassen